Oberlinhaus: Augmented Reality und Inklusion
Neben der Entwicklung der Anwendungssoftware, den dazugehörigen Handbüchern sowie der Konzeption und Durchführung von Anwenderschulungen stellen regelmäßige Erprobungen einen wichtigen Bestandteil des SAL-Projektes dar. An diesen Erprobungen nehmen in erster Linie Berufsschulen und Unternehmen der Druckbranche teil. Ein Novum stellte Mitte Juni die Zusammenarbeit mit dem Berufsbildungswerk im Oberlinhaus dar, welche es ermöglichte, das Social Augmented Learning Projekt unter dem Themenaspekt der Inklusion betrachten zu können.
Das Oberlinhaus
Das traditionsreiche Oberlinhaus (Link zur Website) wurde im Zuge der Wiedervereinigung beauftragt, das Berufsbildungswerk für das Bundesland Brandenburg aufzubauen. Seitdem stellt das in Potsdam angesiedelte BBW im Oberlinhaus das einzige Berufsbildungswerk der Region dar. Rund 500 Jugendliche mit Körper-, Lern-, psychischen oder Mehrfachbehinderungen nehmen an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen teil oder werden in einem der insgesamt 30 angebotenen kaufmännischen und handwerklichen Berufen ausgebildet. Medizinische, psychologische, sozialpädagogische Fachdienste, eine sonderpädagogische Berufsschule, moderne Ausbildungswerkstätten sowie Wohn- und Freizeitmöglichkeiten helfen den Jugendlichen, das Ziel der beruflichen Rehabilitation zu erreichen. Neben Buchbindern und Mediengestaltern werden auch Medientechnologen ausgebildet, von denen fünf Auszubildende zu den Hauptakteuren der aktuellen Erprobung gehörten.
Inklusion in der beruflichen Bildung
In einem vorbereitenden Termin mit den Ausbildern wurde zunächst das Projekt Social Augmented Learning sowie die entwickelte Lehr- und Lernanwendung vorgestellt. Hierbei wurde nicht nur das Potenzial von 3D-Visualisierungen und Augmented Reality im Kontext der Inklusion erörtert, sondern auch eine Auswahl des zu erprobenden Lernmoduls vorgenommen. Da im Berufsbildungswerk eine Druckmaschine vorhanden ist, die mit einem Wendewerk ausgerüstet ist, wurde entschieden das vierte Lernmodul zum Thema »Bogenlauf und Bogenwendung« zu erproben. So sollte das Potenzial einer authentischen Verknüpfung der digitalen Inhalte mit der realen Maschine voll ausgeschöpft werden. Nachdem die technischen Voraussetzungen für die Durchführung der Erprobung geschaffen wurden, wurde die Druckmaschine vermessen, sodass zur Erprobung passgenau gedruckte und zugeschnittene Marker verwendet werden konnten.
Ablauf der Erprobung im Oberlinhaus
Zu Beginn der Erprobung konnten die Schüler die SAL-Software eigenständig mithilfe der bereitgestellten Tablets kennenlernen. Ein erster Wow-Effekt stellte sich bei den Schülern bereits bei der Erkundung ein, nicht zuletzt wegen der Augmented Reality, mit der das 3D-Modell der Bogenwendung positionsgenau über die aufgebrachten Marker abgebildet wurden. Nach dieser etwa 15-minütigen explorativen Phase begann Herr Lorenz, Ausbilder im Oberlinhaus, die Unterrichtseinheit. Es fiel auf, dass Herr Lorenz trotz sehr kurzer Einarbeitungszeit die Anwendung ohne Probleme bedienen und in den Unterricht integrieren konnte. Er verwendete die im Lernmodul angelegten Folien in der vorgegebenen Reihenfolge, eine Individualisierung war nicht nötig.
Die Interaktion mit den Schülern fand auf verschiedenen Ebenen statt:
Zunächst wurden die Folientexte abwechselnd von den Schülern vorgelesen. Nachdem Herr Lorenz die fachlichen Zusammenhänge über die Folientexte hinaus erklärte, stieß er nach jeder Folie kurze Diskussionen an. Er stellte Fragen und forderte die Schüler auf, Bauteile am 3D-Modell zu zeigen. Soweit möglich unterstützte er seine Aussagen mithilfe der realen Maschine. So öffnete er beispielsweise den Bereich zwischen den Druckwerken und zeigte das Wendewerk. Anschließend bearbeiteten die Schüler eine Drag and Drop Übung in der Anwendung, die eine wichtige Feedbackfunktion für die Auszubildenden erfüllte. Eigenständig konnte so überprüft werden, ob das vermittelte Wissen verstanden wurde, da die Aufgabe auf die Thematik der Unterrichtseinheit abgestimmt war.
Ergebnisse der Erprobung
Im Anschluss an den Unterricht wurde, wie bereits bei den vorherigen Erprobungen, eine Evaluation durchgeführt. Diese zeigte, dass der Einsatz der SAL-Anwendung im Unterricht von den Teilnehmern weitestgehend positiv bewertet wurde. Mehrfach wurde von den Schülern betont, dass die Software das Verständnis der Themeninhalte gefördert hat. Farbige Text- und Modellmarkierungen halfen bei der Zuordnung der Bauelementen zusätzlich. In Anbetracht der speziellen Lehr- und Lernsituation im Berufsbildungswerk stellte sich heraus, dass die Software Benutzer mit Handicap genau so unterstützen kann, wie andere auch. Die Abbildungen sowie der Einsatz von 3D-Modellen sind hierbei laut Feedback „extrem hilfreich“.
Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass die Anwendung den Auszubildenden geholfen hat, die Aufmerksamkeit zu halten. Dies ist eine der größten Herausforderung für das Lehrpersonal, da auch Schüler mit ADHS am Unterricht teilnehmen, denen es besonders schwer fällt, über längere Zeit die Konzentration zu halten. Auch die Motivation der Schüler ist eine andere als beim klassischen Frontalunterricht, da die Schüler mithilfe der Anwendung leichter zu begeistern sind und aktiver am Unterricht teilnehmen.
Bemängelt wurde, dass die Folien der Software einige Vorgänge nicht detailliert genug geschildert haben, wie z. B. die Registerhaltigkeit. Dieses Feedback wird natürlich zur Weiterentwicklung der Lerninhalte des SAL herangezogen, kann zwischenzeitlich aber auch Teil der individuellen Unterrichtsvorbereitung mittels Autorenwerkzeug sein.